Ich glaube ich sollte, oder auch eher ich möchte, noch mal ein paar Dinge, explizit ausschreiben. Also wird das hier höchstwahrscheinlichnoch mal etwas länger…
Dieser Blog hat am 30.01.2019 begonnen und endet heute mich dem letzten Eintrag am 28.07.2019 ,damit umfasst er 180 Tage, wovon 166 davon sich in Japan abspielen. Wer jetzt etwas aufmerksam ist (oder auch einfach persönlich vor Japan mit mir gesprochen hat), dem wird auffallen, dass eigenlich mal ein ganzes Jahr (365 Tage) geplant waren. Die Frage die sich einiges deshalb vielleicht noch stellen wird ist, warum ich abgebrochen habe bzw. früher nach Hause geflogen bin und genau darum soll es hier gehen. Den Blog öffentlich zu schreiben war ursprünglich eine Idee, um meiner Familie und meinen Freunden mitzuteilen, was ich hier mache ohne dass ich es jedem persönlich sagen muss, denn ganz ehrlich? Dazu hätte ich nicht genügend soziale Energie gehabt. Außerdem konnte so auch jeder selbst enscheiden, ob er es wissen möchte oder nicht. Irgendwann hatte ich auch die ersten Leser, die ich nicht kenne und die sich wie auch immer hierher verirrt hatten und entschieden zu bleiben. Also hallo an die paar Menschen! Ich hoffe, ich konnte euch ein bisschen mit meinem semispannenden Leben unterhalten. Sich jeden Abend noch mal hinzusetzten und den Tag aufzuarbeiten war eine Erfahrunfg, die sowohl spannend als auch anstrengend war. Ich denke nicht, dass mein Leben so spannend ist, als dass ich es jedem erzählen müsste und manchmal hab ich mich echt gefragt, wer den sowas hier lesen möchte. Auch war es nicht immer leicht, den ganzen Tag zu rekapitulieren und alles aufzuschreiben. So hab ich dann bestimmte Dinge ausgelassen, entweder weil ich sie nicht veröffentlichen wollte oder einfach vergessen habe. Zudem sind hier glaube ich viele Dinge etwas verzerrt dargstellt und nicht wirklich so widergegeben, wie sie in der Wirklichkeit passierten. Aber hätte ich alles wirklich so original getreu wie möglich widergeben wollen, dann hätte das hier unschaffbare Ausmaße genommen. Es war jetzt schon nicht immer leicht für mich, immer up-to-date zu bleiben. Denn oftmals fehlte mir abends die Motivation, sich jetzt noch mindestens eine Stunde hinzusetzen und völlig müde irgendetwas in die Tastatur zu hauen. Deshalb kamen die Updates hier nicht immer regelmäßig, was mich dann aber auch gestört hat. Ich bin froh es gemacht zu haben, aber gleichzeitig genieße ich es jetzt wieder, abends Zeit für andere Dinge zu haben und nicht immer Content aus seinem Leben pressen zu müssen und alles öffentlich zu stellen.
Aber jetzt zurück zum eigentlichen Thema: Japan.
Es ist definitiv ein wunderschönes Land und ich kann nur empfehlen, es mal zu besuchen. Japan ist unheimlich facettenreich und schon anders, als dass, was man hier so gewohnt ist. Und ich denke, genau, da lag manchmal das Problem. Bevor ich hier allerdings mit meiner Meinung über diese Land um mich werfe möchte ich vorher einen kleinen Disklaimer einbauen: Das hier ist alles meine persönliche Meinung, beruhend auf meinen Ansichten, Einstellung, Erfahrungen und Gefühlen. Es kann jedem anders hier ergehen und jeder kann andere Erfahrungen machen. Japan ist ein Land, gefühlt voll mit Gegensätzen und deshalb möchte ich hier sowohl auf die postiven, als auch die negativen Dinge eingehen.
Fangen wir zuerst mit dem Postitiven an… Ich bin auf jeden Fall zu 100% froh darüber, nach Japan gegangen zu sein und bereue es kein bisschen. Es hat mir viel gebracht, ich habe dort viel über mich selbst gelernt, womit ich leben kann und womit nicht, was ich gerne erreichen und machen möchte aber halt auch hier wieder was nicht. Ob ich die gleichen Erkenntnisse auch in Deutschland oder einem anderen Land gewonnen hätte, weiß ich nicht, aber ich werde es auch nie erfahren. Generell hat mir auch einfach das Jahr „Pause“ nach der Schule gut getan und ich fühle mich bereit, jetzt endlich mit meinem „Leben“ anzufangen, wofür ich vorher absolut nicht bereit war. Das Weg-sein hat mir geholfen, das Woanders-sein hat mir geholfen aber vor allem, das Allein-sein, das Nachdenken und das Selbstständig-sein. Japan war das erste Mal, dass ich selbstständig lebte und komplett für mich selbst sorgen musste. Bis zu dem Zeitpunkt hab ich bei meinen Eltern gelebt und somit war mein erstes eigenes Wohnen gleichzeitig auch noch in einem anderen Land. Deshalb war ich auch froh, da Unterstützung gehabt zu haben. Zum Hauptteil natürlich von Annika, mit der ich ja größtenteils zusammengereist bin und wir somit auch grob die selben Probleme hatten und uns helfen konnten. An zweiter Stelle dann die Organisation, die einem gerade am Anfang viel an die Hand genommen hat und einem dem Start doch sehr erleichtert hat. Japan an sich ist ein wunderschönes Land mit vor allem unheimlich höflichen und netten Menschen. Es wird einem immer geholfen, nie ist jemand genervt von einem (oder lässt es einem zumindest nicht spüren) und wir sind eigentlich immer auf Begeisterung gestoßen, Leute, die was von einem lernen wollten, sowie Leute, die einem was beibringen wollten. Auch ist Japan ein Land mit vielen funktionierenden Systemen, was einem das Leben dort deutlich angenehmer macht. Als bestes Bespiel wäre da zum Beispiel die öffentlichen Verkehrsmittel zu nennen, die super sauber, super pünktlich und echt gut ausgebaut sind. Es gibt zum Beispiel aber auch überall kostenlose und sehr saubere Toiletten. Generell ist Japan sehr auf Sauberkeit bedacht und das spürt man auch. Es war völlig normal, seinen Müll, den man produziert, mitzunehmen, meistens sogar bis nach Hause, da es unterwegs keine Mülleimer gab. Was als jemand, der die Sprache nicht wirklich gut versteht auch sehr hilfreich war, war dass die Leute auch bemüht waren, einem zu helfen und man sich so lange mit Händen und Füßen verständigt hat, bis man sicher war, dass der Gegenüber auch den Punkt verstanden hatte. Ich hab viele interessante Leute kennengelernt, viele schöne Orte gesehen und Erlebnisse gesammelt, die das Ganze mehr als nur lohnenswert gemacht haben. Es gibt auch viele Dinge, die ich vermissen werde, so zum Beispiel das Essen oder einfach generell die Essenskultur, dass man einfach mal schnell nachts um 1 Uhr drei Meter laufen muss, bis zum nächsten Konbini und sich dann dort geiles Essen und Trinken kaufen kann. Dass es völlig normal ist, jeden Tag Essen zu gehen, einfach auch weil die Gerichte in den kleinen Restaurants nicht sehr teuer sind. Ja, auch Harajuku werde ich vermissen, denn ab jetzt wird jeder Modeladen mir sehr fad vorkommen. Ich werde das hektische und belebte Tokyo vermissen, genauso wie das ruhige und idyllische Landleben in Sukumo. Ich könnte, glaube ich, noch unendlich viele weitere Punkte aufzählen.
Doch wenn ich soviel gut fand und so viel vermissen werde, warum hab ich mich dann dazu entschieden, früher zurück zu kehren?
Die Entscheidung, meinen Rückflug umzubuchen, entgültig zu treffen hat einige Zeit des Hin- und her- überlegens beansprucht und das Gefühl, etwas abgebrochen zu haben, ist bis heute nicht vollständig weg, auch wenn ich immer noch mit der Entscheidung gehe. Ich hatte damals jedem gesagt, der mich gefragt hat, wie lange ich denn in Japan bleiben möchte, ein Jahr lang. Dabei war das eigentlich das Maximum, denn damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, früher zurück zu wollen. Ich hab mit einigen deutschen Leuten in Japana geredet, die auf ähnliche negative Dinge gestoßen sind und auch nach ungefähr einem halben Jahr wieder zurück sind. Anderen dagegen hat es dort sehr gut gefallen und die sind geblieben und das ist auch cool so. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass ich zu einem falschen Zeitpunkt nach Japan gegangen bin und wenn ich zur einer anderen Zeit hingegangen wäre, es dort bestimmt noch länger ausgehalten hätte. Mir ging es psychisch in Deutschland vielleicht nicht unbedingt gut und mit diesem Balast nach Japan zu reisen war nicht immer hilfreich. Trotzdem ging es mir, gerade am Anfang von Japan sehr gut und deutlich besser, ehe dann mich die Arbeit wieder runtergezogen hat und ich irgendwann bemerkt habe, dass das so nicht weiter geht. Es gibt jetzt aber nicht den Ausschlagspunkt oder den Kritikpunkt, der mich dazubewegt hat, abzubrechen. Es ist ein Zusammenspiel aus sowohl positiven als auch negativen Faktoren und ich denke nicht, dass ich in der Lage bin, es zu hundert Prozent transparent darzustellen. Das möchte ich auch gar nicht, lediglich noch mal ein bisschen deutlicher darauf eingehen. In Japan bestimmt die Arbeit eigentlich so ziemlich das ganze Leben und wenn man einmal dort anfängt, kann man Freizeit, Hobbies, Familie, Freunde und eigentlich alles, was nicht mit der Arbeit zu tun hat, vergessen. Der Job nimmt das Ganze leben und 95% der eigenen Zeit ein. Man wacht auf und fährt zur Arbeit, arbeitet den ganzen Tag, geht abends vielleicht noch mit den Kollegen aus, ehe man dann komplett müde zuhause ankommt und eigentlich nur noch schlafen will. So ging es nicht nur mir. Ständig hatte man das Gefühl, alles dreht sich nur um die Arbeit und man arbeitet sich kaputt. Das hab ich nicht nur erlebt, sondern auch gesehen und von anderen bestätigt bekommen. Natürlich nicht von Japanern, denn die sprechen nicht über ihre Probleme, sonder schweigen alles in sich rein. Man hat sich oft wie angelogen gefühlt und generell konnte man sich irgendwie nicht sicher sein, ob einem die Wahrheit erzählt wurde oder nicht. Denn ein Japaner ist perfekt, immer und zu jeder Zeit… zumindest äußerlich. Allein an den Häusern merkt man schon, dass alles bloß nicht gezeigt wird. Die Fenster sind verschlossen, zugezogen, man darf bloß nicht reingucken. bloß nicht ins Innere sehen, wo man selber in der Dunkelheit hockt. Das Land und die Leute vereinsamen immer mehr, aber das ist glaube ich ein weltweites Phänomen, was lediglich dort große Ausmaße zeigt. Japan ist ein Land was zudem lange isoliert gelebt hat und immer noch nicht wirklich offen gegenüber Ausländern ist. Sie halten uns für dreckig, laut und unhöflich und ich hatte oft das Gefühl gehabt, egal wir lange ich in Japan leben würde und egal wie gut ich die Sprache beherrschen würde, ob ich die Staatsbürgerschaft hätte oder nicht, ich würde immer „der Ausländer“ bleiben. Es macht sich ganz deutlich an meinem europäischen Aussehen bemerkbar und genau darin hängt sich diese Sichtweise auch auf. Ich bin viel zu groß für einen Japaner, war meistens die Größte unter ihnen und bin zudem noch aufgefallen durch gefärbte Haare und blaue Augen. Und Auffallen kann ein guter Japaner gar nicht leiden. Es müssen alle möglichst gleich aussehen und sich an sämtliche gesellschaftlichen Normen halten. Das ist anstrengend. Das ist super antrengend. Es hat sich leider sehr deutlich auch bemerkbar gemacht, weil zum Beispiel mir komplette Grundschulgruppen mehr als nur deutlich hinterhergestarrt haben. Ich wäre nie dort wirklich akzeptiert worden und das ist schon ätzend. Genauso wie, dass ich durch mein Alter und Geschlecht doch ganz schön eingeschränkt war. Der Punkt mit dem Alter lässt sich einfach durch meine dortige Minderjährigkeit erklären, mit der mir einies verboten war, was ich aber in Deutschland natürlich schon konnte (Verträge unterschreiben zum Beispiel). Des weiteren sind in Japan die Geschlechterrollen noch sehr stark und das hat man bemerkt. So standen in Jobausschreibungen häufig nur ein bestimmtes Geschlecht gesucht und es wurden einem einige Jobs verwährt. Warum zum Beispiel der Tellerwäscher denn unbedingt männlich sein muss, ist mir bis heute nicht klar. Ich hab auch eigentlich immer zu hören bekommen, wenn ich dann mal erzählt habe, was ich werden möchte, dass es da keine Frauen in dem Beruf in Japan gibt. Wenn ich dann gefragt habe, warum denn nicht, konnte mir keine Antwort gegeben werden. Das sind so Dinge, die in mein deutsches, „fortschrittliches“ Gehirn einfach nicht rein wollen, denn ich möchte keinen Schritt zurück machen. Man hat generell das Gefühl bekommen, dass Japan an einiges Stellen doch noch etwas zurück hängt in der Entwicklung und ja, vielleicht bin ich da verwöhnt, aber ich möchte dann doch lieber unseren Fortschritt genießen, auch wenn Japan vielleicht an einigesn Stellen uns was vor macht. Ich hab mich nach zuhause gesehnt und dass nicht nur für ein paar kurze Tage zwischendurch und gerade, als ich ziemlich unsicher war, als ich nicht mehr wusste, wie ich weiter planen soll, als ich kippe stand, wohin nun… da hat die einzige Person, auf die ich mich die ganze Reise lang verlassen musste, die die ganze Zeit an meiner Seite war, mich von sich gestoßen und mich zurückgelassen. Und vielleicht hat sich dadurch die perfekte Möglichkeit ergeben, das Land zu verlassen, dem ganzen ein Ende zu setzen und neu anzufangen.
Vielleicht wirkt das Alles jetzt hier ein bisschen sehr negativ, aber so ist es gewiss nicht. Es ist nunmal ein Land, das wie jedes andere auch seine Vorteile und schönen Seiten, ebenso wie Schattenseiten und Probleme hat. Viellicht bekommt man diese als normaler Tourist nicht so mit, mir jedenfalls wurde ein bisschen die romantisierte Sicht auf das Land der aufgehenden Sonne genommen.


